Praxis für ZahnMedizin |
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Tulus & Tulus | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Fall Nr. 6
Patientin:
B.G. geb. 1956, Lehrerin Behandler:
Dr. Gabriel Tulus Anliegen:
Abklärung von Schmerzen im linken Oberkiefer, ggf. Durchführung
endodontischer Behandlung am Zahn 26 Allgemeinmedizinische
Anamnese –
unauffällig Zahnmedizinische
Anamnese –
mehrere Inlays und Kompositfüllungen vor ca. fünf bis
sechs Jahren. Patientinangaben zufolge, leidet sie seit
Tagen unter Druckschmerzen im linken Oberkiefer, die nur
durch Einnahme schmerzstillender Medikamente abklingen. Die
Patientin hatte das Gefühl, der Zahn sei länger. Darüber
hinaus kann sie auf den Zahn weder beißen, noch ihn mit der
Zunge berühren, da die Schmerzen stark zunehmen.
Unmittelbar nach der Füllungstherapie reagierte der
betroffene Zahn übermäßig stark auf thermische Reize und
mäßig auf Druck; die Schmerzen seien aber kurze Zeit
danach abgeklungen. Zwischenzeitlich hatte die Patientin
keine Beschwerden. Zahnmedizinische klinische Untersuchung – fokussiert auf Zahn 26Ø
Intakte
Kompositfüllung OMV Ø
Starke
axiale und laterale Perkussionsempfindlichkeit Ø
Apikale
Palpation leicht schmerzhaft Ø
Sensibilitätstest
mit Kältespray (CO2 Schnee) negativ Ø
Keine
Lockerung, kein Parodontalbefund (Sondierungstiefe 2 mm),
keine Schwellung, keine Fistelgänge Ø
Nachbarzähne
mit normaler Reaktion Zahnmedizinische
röntgenologische Untersuchung (Bild 1): Ø
Tiefe Füllung Ø
Pulpakammer
röntgenologisch nicht erkennbar Ø
Verdacht
auf sehr enge oder sogar obliterierte Wurzelkanäle Ø
Starke Krümmung
der mesialen Wurzel Ø
Parodontitis
apikalis erheblicher Größe, bzw. eine gut erkennbare
periapikale Transluzenz im Bereich der MV-Wurzel Diagnose: Ø
Symptomatische
Parodontitis apicalis mit Knochenabbau in der periapikale
Region der MV-Wurzel Therapie
– endodontische Behandlung des Zahnes 26 Sitzung 1 – 22.10.2002Ø
Untersuchung,
Diagnose und Therapieplanung. Darüber hinaus, ausführliche
Erläuterung des Behandlungsvorschlages (Abläufe, Risiken). Ø
Anlegen
einer Zugangskavität unter Kofferdam Ø
Entfernung
eines Dentikels aus dem Pulpakavum Ø
Darstellung
der drei Kanaleingänge unter Einsatz der Lichtlupe
(5,5fach) - (MV2 zunächst nicht auffindbar) Ø
Erweiterung
der Kanaleingänge mit diamantierten Ultraschallspitzen und
SX Pro-Taper Ø
Sondierung
der Kanäle – MV und DV mit Feilen ISO 08 - und
elektrometrische Bestimmung der Arbeitslänge Ø
Röntgenmessaufnahme
zur Überprüfung der elektrometrisch ermittelten Arbeitslänge Ø
Aufbereitung
des sehr engen und stark gekrümmten MV Kanals mit
vorgebogenen Edelstahlfeilen nach der von F. S. Weine
entwickelten Aufbereitungstechnik, beginnend mit ISO 08 bis
ISO 15 Ø
Aufbereitung
des DV Kanals mit Edelstahlfeilen unter Anwendung der
standardisierten Technik bis ISO 15 Ø
Maschinelle
Aufbereitung mit Ni-Ti Feilen des palatinalen Wurzelkanals
bis ISO 25 Ø
Spülung
mit NaOCl 3% jeweils 2ml pro Kanal nach jedem
Instrumentenwechsel Ø
Medikamentöse
Einlage mit Calxyl Ø
Provisorischer
Verschluss mit Cavit Ø
Zahn leicht
aus der Okklusion genommen Sitzung 2 – 04.11.2002Ø
Patientin
stellt sich mit leichten Schmerzen beim Druck und leichter
druckdolenter Schwellung in der Umschlagfalte Regio 26 vor,
die erst vor zwei Tagen auftraten. Keine Schmerzmittel
erforderlich, keine Beeinträchtigung des
Allgemeinzustandes. Ø
Eröffnung
des Zahnes unter Kofferdam Ø
Leichte Überinstrumentierung
(Patency) mit 08-er Feile des MV-Kanals induziert
Exudataustritt Ø
Unter OPM
wurde ein vierten Kanal (MV2) gefunden, mit diamantierten
Ultraschallspitzen erweitert und mit dünnen Edelstahlfeilen
sondiert. Nach ca. 14-15 mm mündete er in den MV1 Kanal
ein. Ø
Spülung
mit NaOCl 3% jeweils 2ml pro Kanal nach jedem
Instrumentenwechsel Ø
Anschließende
Spülung mit Chlorhexamed 1% jeweils 5 ml pro Kanal Ø
Medikamentöse
Einlage mit Calxyl Ø
Provisorischer
Verschluss mit Cavit Sitzung 3 – 11.11.2002Ø
Patientin
beschwerdefrei Ø
Schwellung
abgeklungen Ø
Eröffnung
des Zahnes unter Kofferdam, Spülung mit NaOCl und
Chlorhexamed, Erneuerung der med. Einlage (Calxyl) Ø
Provisorischer
Verschluss mit Cavit Sitzung 4 – 10.12.2002Ø
Patientin
beschwerdefrei Ø
Weitere
Bearbeitung der vestibulären Kanäle mit vorgebogenen
Hedströmfeilen bis ISO 25 apikal und abschließende
Aufbereitung mit Ni-Ti Feilen FlexMaster, jeweils bis ISO 35 Ø
Weitere
maschinelle Aufbereitung mit rotierenden Ni-Ti Instrumenten
des palatinalen Wurzelkanals (apikal bis ISO 40) Ø
Überprüfung
mit Verifier (und anschließende Aufbereitung mit
vorgebogenen Verifier des MV1 Kanals) der zu verwendenden
Obturatoren für die Wurzelfüllung Ø
Überprüfung
der Säuberung und anschließende Trocknung mit sterilen
Papierspitzen Ø
Die
Wurzelkanalfüllung erfolgt thermoplastisch mit Soft-Core
Obturatoren und Apexit. Ø
Röntgenkontrollaufnahme
(Bild 3) Ø
Aufbau mit
Glassionomerzement (Ketac) Kontrolle
nach einem Jahr: Stabile
klinische Situation, keine Symptomatik. Röntgenologisch ist
eine gute Heilung bzw. eine Knochenbildung im Bereich der MV
und ein kontinuierlich verfolgbarer normaler Parodontalspalt
zu erkennen (Bild 4). Lediglich die Ketac-Füllung war
erneuerungsbedürftig und wurde mit Komposit (adhäsiv)
gewechselt. EpikriseEine
mögliche Erklärung für die am Zahn 26 vorgefundene
Parodontitis apikalis mit vollständiger Pulpanekrose sind
die bereits fünf bis sechs Jahre zurückliegenden, mit der
Kompositversorgung zusammenhängenden Irritationen der
Pulpa. Auch eine eventuell suboptimale Adhäsivtechnik
(Fehler beim Ätzen, mögliches starkes Austrocknen des
Dentins während der Applikation der Kompositfüllung,
verbliebene Phosphorsäurereste, ungenügende
Dentinversiegelung) kann als Ursache der Parodontitis
vermutet werden. Die Beschwerden der Patientin unmittelbar
nach der Füllungstherapie lassen die Entwicklung einer
Pulpitis annehmen, die im Laufe der Zeit in einer Nekrose
aufging. Im
Rahmen der Kanallsondierung wurde gangränös riechendes
nekrotisches Pulpa in allen Wurzelkanälen angetroffen Die
sehr engen und teilweise im koronalen Bereich obliterierten
mesialen Kanäle (möglicherweise durch Bildung von
Reizdentin) führen zu der Vermutung, dass in diesen Kanälen
über einen längeren Zeitraum ein hyperämisches oder
pulpitisches Bild vorhanden war. Die
Beschwerden (Endodontic Interappointment Emergency) die erst
nach 4-5 Tagen Symptomfreiheit auftraten, können mehrere
Erklärungen haben. In der ersten Sitzung wurde den MV2
Kanal übersehen, allerdings wäre dies eher als
unwahrscheinliche Ursache zu betrachten (da er sich nach
15mm mit dem MV1 vereinigte). Eine versehentliche
Inokulation mit infizierten Material über den Apex hinaus wäre
eher die Ursache der Exazerbation oder vielleicht die
Weiterentwicklung des Abszesses der sich bei der ersten
Sitzung in einer Initialphase befand. Die Aufbereitung des
zunächst nicht gefundenen Kanals, die ausgiebige Spülung
und die Drainage über den MV Wurzelkanal haben zur
Symptomfreiheit geführt. Die
Sondierung der vestibulären Kanäle erfolgte sehr mühsam,
zunächst mit K-Feilen ISO 08 unter Anwendung eines
Gleitmittels. Die Aufbereitung des MV1 Kanals erfolgte zunächst
nach der Weine Technik um unerwünschte Begradigungen,
Perforationen der inneren Krümmung und/oder eventuellen
Instrumentenfrakturen zu vermeiden. In
der dritten Sitzung war die Wurzelfüllung nicht möglich,
da die MV Kanäle nicht vollständig getrocknet werden
konnten und nicht geruchlos waren. Die
Röntgenkontrolle zeigt eine homogene und wandständige
Wurzelkanalfüllung, die thermoplastisch mit Soft-Core
Obturatoren und AH-Plus erfolgte. Die
Wurzelkanalfüllung des palatinalen Kanals erscheint röntgenologisch
etwas kurz (dasselbe zeigt auch die Röntgenmessaufnahme).
Es scheint jedoch die richtige Länge zu sein, da mehrere
elektrometrische Messungen immer die gleichen Werte
anzeigten. Eine Überprüfung mit dünnen sterilen
Papierspitzen in der vierten Sitzung bestätigte auch die
elektrometrisch festgestellte Länge. Auch die starke Krümmung
der MV Wurzel lässt eine starke Krümmung der palatinalen
Wurzel annehmen, die projektionsbedingt röntgenologisch
nicht erkennbar ist. Mit
der Patientin wurde vereinbart, dass ca. 2-3 Monaten nach
der Behandlung eine VMK Krone appliziert wird. Wegen
Symptomfreiheit ist die Patientin nicht mehr erschienen; sie
kam erst als sie eine leichte Abnutzung der Füllung verspürte. Die
röntgenologisch unveränderte Wurzelkanalfüllung und die
vollständige Heilung der periapikalen Läsion wie auch die
Beschwerdefreiheit der Patientin sprechen für einen Erfolg
der durchgeführten endodontischen Behandlung. Die geplante
Krone konnte sich die Patientin erst nicht leisten; es wurde
eine Kompositfüllung appliziert. Technische
Daten der durchgeführten Wurzelkanalbehandlung:
Apikale
Aufbereitungsgrößen:
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