Praxis für ZahnMedizin |
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Tulus & Tulus | |||||||||||||
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Fall Nr. 9 Stiftperforation OPPatientin:
M.M.L. geb. 1942, Rentnerin Behandler.
Dr. Gabriel Tulus Anliegen: Verdacht auf Wurzelperforation nach Eingliederung eines Stiftes; ggf.
Abdichtung der Perforation (Überweisungsfall) Allgemeinmedizinische
Anamnese –
unauffällig Zahnmedizinische
Anamnese –
die Patientin stellte sich mit Schmerzen und leichter
Schwellung im linken Oberkiefer bei seinem Hauszahnarzt vor.
Nach Durchführung einer Notfallbehandlung im Sinne von
Verordnung von Antibiotika und Antiflogistika wurde mir die
Patientin überwiesen, mit der Bitte eine WSR mit
retrograder Wurzelfüllung durchzuführen. Eine aktuelle Röntgenaufnahme
liegt nicht vor. Nach Rücksprache mit dem Hauszahnarzt,
wurde der Zahn 24 aus prothetischen Gründen vor ca. 10
Monaten endodontisch behandelt und erst nach definitiver
Eingliederung der prothetischen Arbeit bereitete er der
Patientin wiederholt Beschwerden. Es wurde zunächst eine
WSR durchgeführt, die nicht zum abklingen der Beschwerden führte.
Da der Zahn der mesiale Pfeiler einer Brücke ist und in
einem Wurzelkanal auch ein gegossener Stift einzementiert
ist, wäre er mit einer evtl. Revision der endodontischen
Behandlung – die die prothetische Arbeit zerstören würde
– nicht einverstanden. Seiner Ansicht und Aussage nach, würde
eine retrograde Wurzelfüllung „den Zahn zur Ruhe
bringen“. Ihm liege nur eine ca. 10 Monate alte Röntgenaufnahme
vor, die unmittelbar nach der Wurzelfüllung angefertigt
wurde, wonach „nichts Verdächtiges“ erkennbar sei. Patientinangaben
zufolge, seien zunächst starke Schmerzen während der
Eingliederung des Stiftes aufgetreten, die nach einigen
Minuten abklangen. Nach der Eingliederung der Brücke, war
der vordere Pfeilerzahn oft druckempfindlich und somit die
Brücke nicht belastbar. Gelegentlich traten leichte
Schwellungen auf, die zu keiner Steigerung der „normalen
Schmerzen“ führten und die nach 1-2 Tage von alleine
abklangen. Zwei Monate nach der Eingliederung der Brücke
wurde ein operativer Eingriff durchgeführt, der nicht zu
einer Verbesserung führte. In den letzten zwei Monaten war
der Zahn öfter empfindlich und die Schwellungen traten häufiger
auf. Zahnmedizinische
klinische Untersuchung: Ø
Zahn 24 mit
einer intakten und gut adaptierten VM-Krone versorgt,
mesialer Brückenpfeiler einer dreigliedrigen Brücke Ø
Leichte
axiale Perkussionsempfindlichkeit Ø
Starke
laterale Perkussionsempfindlichkeit Ø
Palpation
vestibulär schmerzauslösend (ca. 4-6mm über den vestibulären
Kronenrand) Ø
Leichte
Schwellung ca. 4-6mm über den vestibulären Kronenrand;
kein Fistelgang Ø
Kleine
Narbe im apikalen Bereich erkennbar Ø
Keine
feststellbare Lockerung Ø
Kein
Parodontalbefund (Sondierungstiefe ca. 2 mm) Ø
Zahn 23 mit
normaler Reaktion Zahnmedizinische
röntgenologische Untersuchung (Bild 1) Ø
Zahn 24
endodontisch behandelt Ø
Die
alio-loco durchgeführte WSR nicht richtig erkennbar Ø
Eingegliederter
Metallstift in dem verstibulären Wurzelkanal, der von
seiner Längsachse nach mesial abweicht – eine seitliche
Perforation ist nicht erkennbar, aber auch nicht auszuschließen Ø
Vertikaler
Knochenabbau mesial, im mittleren Wurzelbereich Ø
Keine
Frakturlinie im Wurzelbereich erkennbar Diagnose: Ø
Verdacht
auf Wurzellängsfraktur (Infraktur) im mittleren Drittel
oder laterale Perforation der Wurzel Ø
Knochenabbau
im Bereich der vermutlichen Perforation mit möglicher
Bildung von Granulationsgewebe Therapie
– Abklärung der Diagnose unter Sichtkontrolle (Lappen-OP)
und ggf. Abdichtung der Perforation Sitzung 1 – 16.12.2002Ø
Untersuchung
und Beratung (einschließlich Aufklärung möglicher
Risiken) der Patientin Ø
Rücksprache
mit dem Überweiser Sitzung 2 – 30.01.2003Ø
Paramarginale
Schnittführung (unter örtlicher Betäubung), Präparation
des Mukoperiostlappens und Lappenmobilisierung nach apikal Ø
Eine
Osteotomie für die Darstellung der Wurzel war wegen der
Knochenresorption nicht notwendig Ø
Sorgfältige
Entfernung des Granulationsgewebes unter OPM bis in gesunden
Knochen (Bild 2) Ø
Darstellung
der Perforationsstelle mesial (etwas nach palatinal
ausgerichtet) unter OPM mit Hilfe von Mikrospiegel Ø
Wurzelglättung
mit Ultraschall (Paro-Ansätze) Ø
Kürzung
des Metallstiftes mit Hilfe von diamantierten Ultraschallansätzen
zur retrograden Präparation Ø
Abdichtung
der entstandenen Kavität mit MTA Zement Ø
Auffüllung
des Knochendefekts mit BioOss und applizierung einer
resorbierbaren Membrane (Bio-Guide) Ø
Wundverschluss
mit monofilem atraumatischem Nahtmaterial der Stärke 5-0 Sitzung 3 – 31.01.2003Ø
Kontrolle 1
Tag postoperativ – leichte Schwellung und lediglich
leichte Wundschmerzen Sitzung 4 – 06.02.2003Ø
Schwellung
abgeklungen, weitgehender Rückgang der Wundschmerzen Ø
Entfernung
der Nähte Ø
Gute
Heilungstendenz der Wunde; keine Dehiszenzen Kontrolle nach einem Jahr – 16.02.2004Stabile
klinische Situation mit einer (röntgenologisch) vollständigen
Ausheilung des Knochendefekts (Bild 3). Patientin ist
beschwerdefrei seit Nahtentfernung. Keine
Perkussionsempfindlichkeit, keine Lockerung. Epikrise: Die
Beschwerden der Patientin sind aufgrund der seitlichen
Perforation der vestibulären Wurzel des Zahnes 24
aufgetreten. Es lässt sich schwer feststellen, ob die
Perforation durch die via falsa während der
Stiftvorbereitung aufgetreten ist oder bei der Eingliederung
wegen des entstandenen Druckes. Die Schmerzen der Patientin
bereits beim Eingliederung können auf das Eindringen von
Zement ins Parodontium zurückgeführt werden. Die
Druckbeschwerden der Patientin sowie die eingetretenen
Schwellungen wurden zunächst dem Misserfolg der
Wurzelbehandlung zugeordnet. Durch
die persistierenden Beschwerden der Patientin auch nach der
WSR, entstand die Vermutung des Hauszahnarztes, dass ein
apikales Geschehen (z.B. im Sinne eines fehlenden dichten
apikalen Verschlusses) die Ursache wäre. Eine seitliche
Perforation wurde vom überweisenden Kollegen nicht
festgestellt. Dieser vermutete eine chronische apikale
Parodontitis, was sich weder röntgenologisch oder klinisch
noch während der OP bestätigen ließ. Die
paramarginale Schnittführung ergab eine günstige Deckung
des im Bereich der Wurzelmitte befindlichen Defektes. Eine
Abdichtung der entstandenen Kavität mittels MTA entspricht
den Empfehlungen der E.S.E. und A.A.E. und ist in vielen
klinischen Fallstudien und –darstellungen als äußerst
zuverlässig zu betrachten. Die
Auffüllung des Knochendefektes durch BioOss und Abdichten
durch Bio-Guide Membrane wurde verwendet, um eine eventuelle
Wurzelresorption im lateralen Bereich vorzubeugen, die bei
Unterbrechung des knöchernen Periodonts auftreten kann. Der
peri- und postoperative Verlauf gestalteten sich günstig
und insbesondere durch das langanhaltende schmerzfreie
Intervall postoperativ und die röntgenologisch gut
erkennbare Reossifikationstendenz, ist von einer
nachhaltigen vollständigen Ausheilung der entsprechenden Läsion
auszugehen. Fall
Nr. 9 – Stiftperforation OP
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